Über Urheberrecht…  oder was Goethe dazu schreibt...

                             

Aus „Dichtung und Wahrheit“ von Johann Wolfgang von Goethe (vierter Teil, 16.Buch)

 

 

 

Als nämlich meinen Arbeiten immer mehr nachgefragt, ja, eine Sammlung derselben verlangt wurde, jene Gesinnungen aber mich abhielten, eine solche selbst zu veranstalten; so benutzte Himburg mein Zaudern, und ich erhielt unerwartet einige Exemplare meiner zusammen gedruckten Werke. Mit großer Frechheit wusste sich dieser unberufene Verleger eines solchen, dem Publikum erzeigten Dienstes gegen mich zu rühmen, und erbot sich, mir dagegen, wenn ich es verlangte, etwas Berliner Porzellan zu senden. Bei dieser Gelegenheit musste mir einfallen, dass die Berliner Juden, wenn sie sich verheirateten, eine gewisse Partie Porzellan zu nehmen verpflichtet waren, damit die königliche Fabrik einen sichern Absatz hätte. Die Verachtung, welche daraus gegen den unverschämten Nachdrucker entstand, ließ mich den Verdruss übertragen, den ich bei diesem Raub empfinden musste. Ich antwortete ihm nicht, und indessen er sich an meinem Eigentum gar wohl behaben mochte, rächte ich mich im Stillen mit folgenden Versen:

 

Holde Zeugen süß verträumter Jahre,
Falbe Blumen, abgeweihte Haare,
Schleier, leicht geknickt, verblichne Bänder,
Abgeklungener Liebe Trauerpfänder,
Schon gewidmet meines Herdes Flammen,
Rafft der freche Sozius zusammen,
Eben als wenn Dichterwerk und Ehre
Ihm durch Erbschaft zugefallen wäre;
Und mir Lebenden soll sein Betragen
Wohl am Tee- und Kaffeetisch behagen?
Weg das Porzellan, das Zuckerbrot!

Für die Himburgs bin ich tot.

 

Da jedoch eben die Natur, die dergleichen größere und kleinere Werke unaufgefordert in mir hervorbrachte, manchmal in großen Pausen ruhte und ich in einer langen Zeitstrecke selbst mit Willen nichts hervorzubringen imstande war und daher öfters Langeweile empfand; so trat mir bei jenem strengen Gegensatz der Gedanke entgegen, ob ich nicht von der andern Seite das, was menschlich, vernünftig und verständig an mir sei, zu meinem und anderer Nutzen und Vorteil gebrauchen und die Zwischenzeit, wie ich es ja auch schon getan und wie ich immer stärker aufgefordert wurde, den Weltgeschäften widmen und dergestalt nichts von meinen Kräften ungebraucht lassen sollte. Ich fand dieses, was aus jenen allgemeinen Begriffen hervorzugehen schien, mit meinem Wesen, mit meiner Lage so übereinstimmend, dass ich den Entschluss fasste, auf diese Weise zu handeln und mein bisheriges Schwanken und Zaudern dadurch zu bestimmen. Sehr angenehm war mir zu denken, dass ich für wirkliche Dienste von den Menschen auch reellen Lohn fordern; jene liebliche Naturgabe dagegen als ein Heiliges uneigennützig auszuspenden fortfahren dürfte. Durch diese Betrachtung rettete ich mich von der Bitterkeit, die sich in mir hätte erzeugen können, wenn ich bemerken musste, dass gerade das so sehr gesuchte und bewunderte Talent in Deutschland als außer dem Gesetz und vogelfrei behandelt werde. Denn nicht allein in Berlin hielt man den Nachdruck für etwas Zulässiges, ja Lustiges, sondern der ehrwürdige, wegen seiner Regententugenden gepriesene Markgraf von Baden, der zu so vielen Hoffnungen berechtigende Kaiser Joseph begünstigten, jener seinen Macklot, dieser seinen Edlen von Trattner, und es war ausgesprochen, dass die Rechte, sowie das Eigentum des Genies dem Handwerker und Fabrikanten unbedingt preisgegeben seien.

   Als wir uns einst hierüber bei einem besuchenden Badenser beklagten, erzählte er uns folgende Geschichte: Die Frau Markgräfin, als eine tätige Dame, habe auch eine Papierfabrik angelegt, die Ware sei aber so schlecht geworden, dass man sie nirgends habe unterbringen können. Darauf habe Buchhändler Macklot den Vorschlag getan, die deutschen Dichter und Prosaisten auf dieses Papier abzudrucken, um dadurch seinen Wert in etwas zu erhöhen. Mit beiden Händen habe man dieses angenommen. Wir erklärten zwar diese böse Nachrede für ein Märchen, ergötzten uns aber doch daran. Der Name Macklot ward zu gleicher Zeit für einen Schimpfnamen erklärt und bei schlechten Begebenheiten wiederholt gebraucht. Und so fand sich eine leichtsinnige Jugend, welche gar manchmal borgen musste, indes die Niederträchtigkeit sich an ihren Talenten bereicherte, durch ein paar gute Einfälle hinreichend entschädigt.